Christa Schyboll – Teil 8

Manche Machertypen scheinen genauestens zu wissen, dass das, was sie wollen, auch dasjenige ist, was die Menschheit als letztes Glück ersehnt.

Manche Müllentsorger sind Menschen, die sich leicht damit tun, neben dem materiellen Schrott auch gleich die Seelenmüllerinnerungen der Vorbesitzer des Unrats gleich mit weg zu karren.

Manche Menschen nehmen sich so wichtig, dass sie aus lauter Entzücken über ihre eigene enorme Wichtigkeit das Wichtigste glatt aus den Augen verloren haben.

Manche Helden zeichnen sich dadurch aus, dass sie lieber ein Leben retten als viele, weil sie im Affekt eine kleine mathematische Gleichung übersahen.

Manche Kinder brauchen weniger die Disziplin eines Klassenzimmers als die einer nachahmungswerten Autorität.

Manche „Gelbliberale“ mit grünen Themen, die mit roten Finanzierungsvorschlägen voll ins Schwarze treffen wollen, erzeugen damit häufig nur Farbklecks, die nicht einmal einen weißblauen Hintergrund vertragen.

Mancher „schwarzer“ Politiker ist mit dem Dunkel seiner Gesinnung so klar und hell in die Öffentlichkeit getreten, dass die dort geworfenen Schatten bräunliche Färbungen annahmen.

Manch „grüne“ Politiker grünen sich nicht nur biodynamisch durch Parteienlandschaften und Wahljahreszeiten, sondern sprießen urplötzlich auch in Vorstandsetagen multinationaler Konzerne ins Un-Kraut.

Manch „roter“ Politiker sind so rot in ihrer roten Gesinnung, dass man diese Art von Rot nur noch als schamloses rot bezeichnen kann.

Manche Pastoren sind Menschen, die auf dem Ruhekissen ihres Glaubens nur innerlich gähnend ihre alltäglichen Segnungen verteilen.

Manche Ärzte sind Weissager aus Innerein, die sich mit Pseudoformeln lateinischer Namen und komplizierter Technik tatsächlich als Wissende tarnen.

Manche Hausfrauen sind Menschen, für die ein Kartoffelbrei etwas Endgültiges hat oder aber denselben in endlosen Variationen kreieren, um daraus ein neues Kartoffeluniversum zu schaffen.

Manche Künstler sind Menschen, die die subtile Botschaft ihres Könnens oder Nichtkönnens in wortgewaltige Definitionen maskieren.

Manche Fußballer sind Menschen, die eigentlich ja runde Bälle in eckige Tore treten möchten, aber stattdessen eckige Schüsse auf runde Publikumsköpfe schöpferisch abzielen.

Manche Formel-I-Fahrer sind Menschen, für die die Geschwindigkeit Gelegenheit bietet, den Fliehkräften der eigenen Seele zum Fluchtweg auf dem Asphalt zu verhelfen.

Manche Lehrer sind Menschen, die Weisheit mit Intellektualismus verwechseln, Pädagogik mit Penetranz und fest davon überzeugt sind, den Unterschied zwischen all dem auch noch klar zu erkennen.

Manche Magier sind Menschen, die mit Illusionen operieren und tatsächlich damit vorgaukeln, es gäbe etwas anderes als nur natürliche Effekte, auch wenn wir diese nicht immer verstehen.

Manche Kellner sind Menschen, die in gebückter Demutshaltung ihre nörgelnden Gäste reichlich mit inneren Flüchen segnen.

Manche Präsidentschaftskandidaten sind Menschen, die die geschickte Zelebration ihrer eigenen Person schon zum Programm an sich erklären.

Manche Jugendliche sind Menschen, die ihre pubertierenden Eltern nur mit strenger Erziehung ins wahre Leben entlassen können.

Manche Wissenschaftler sind Menschen, die ihre Lehrformel nach kurzer Zeit selbst zur Leerformel erklären.

Manche Sekretärinnen sind Menschen, die ihre Fähigkeit zum Tippen besser nur an Lottoannahmestellen nutzen sollten.

Manche Psychologen sind Menschen, die von der Seele soviel verstehen, wie der Bulle vom kalben.

Manche Discobesucher sind Menschen, die Protagonisten eine kollektiven Autismus sind.

Manche Heiratswillige sind Menschen, die in unverbrüchlicher Naivität daran glauben, dass Mann und Frau irgendwie zusammenpassen.

Manche Erkenntnistheoretiker sind Menschen, die theoretisch erkennen, was sie praktisch nie zu leisten vermögen.

Manche Bademeister sind Menschen, die in der Chemiebrühe ihrer alltäglichen Werkstatt tatsächlich ab und zu noch lebende Wesen orten.

Manche Ingenieure sind Menschen, die mit ihrem technischen Verstand niemals über die Hürde eines Legobaukastens gesprungen sind.

Manche Erfinder sind Menschen, die Dinge erfinden, die niemand braucht und die auch niemand jemals haben wollte.

Manche Opiumbauer sind Menschen, die den Rauchschleier des Seelennebels nur über fremde Kulturen legen möchten.

Manche Banker sind Menschen, deren geistige Diät darin besteht, den Börsenkurs für eine Stunde zu vergessen.

Manche Quasselstrippen sind Menschen, die mit leeren Wortgeschossen verheerender sind als alle Armeen der Welt.

Manche Talkmaster sind Menschen, die andere Menschen nur dazu benutzen, um wieder anderen Menschen zu zeigen, wie sie selbst niemals leben oder sein möchten.

Manche Wienerwürstchenliebhaber sind Menschen, die in Wirklichkeit verkappte Phospatfetischisten sind.

Manche Affen sind Menschen, die statt Fell protokollwidrig frech einen Anzug tragen.

Manche Ehefrauen sind Menschen, die ihren eigenen Ehemann am liebsten zur besten Freundin umarbeiten würden.

Manche Ehemänner sind Menschen, die ihren treuesten Zechkumpan am besten gleich geehelicht hätten.

Manche Chefs sind Menschen, deren Cholerik sich schon satt im Cholesterin angereichert hat.

Manche Mütter sind Menschen, deren Kinder im Zoo eine vermutlich natürlichere Erziehung bekämen als unter der Fuchtel der Gesellschaftsnorm.

Manche Väter sind Menschen, die ihre biologische Potenz nur zufällig in menschliche Präsenz entließen.

Manche Großväter sind Menschen, die in ihren Enkeln sich ihre eigene Fortsetzung – fernab von ihren Söhnen – neu erhoffen.

Manche Großmütter sind Menschen, die mit dem Begriff „Märchen“ tatsächlich noch freies lebendiges Erzählen verbinden können.

Manche Direktoren sind Menschen, deren vornehmste Aufgabe es ist, ausschließlich vornehm zu erscheinen.

Manche Boxer sind Menschen, die mehr im Ring zuhause sind, als dass sie anständig bellen könnten.

Manche Lyriker sind Menschen, die mit ihrem Seelenschmalz die letzten Atemporen ihrer Leser fest verkleben.

Manche Touristen sind Menschen, die nach ihrem Urlaub nichts brauchen als Ferien und Ruhe.

Manche Piloten sind Menschen, die ihrem Autopiloten weniger vertrauen als ihrem Co-Piloten.

Manche Clowns sind Menschen, die privat ab und an auch mal einen Witz erzählen.

Manche Choleriker sind Menschen, für die das Brüllen und Anschnauzen ihrer Umgebung das notwendige Tagesgebet zum eigenen Überleben ist.

Manche Phlegmatiker sind Menschen, die so lähmend langsam handeln können, dass sie zur Massenhypnose befähigt wären.

Manche Hirnforscher sind Menschen, die den feinsten Neuronenverbindungen auf die letzten Schliche kommen wollen und dabei übersehen, dass die eigene Neuronensteuerung während dieser Aufgabe zum Selbstläufer mutierte.

Manche Schauspieler sind Menschen, denen die Bühne das Leben an sich ist, während das Leben an sich ihnen einfach keine Bühne schenkt.

Manche Voyeure sind Menschen, die ernsthaft darunter leiden, dass sie nicht auch noch mit dem Dritten Auge physisch sehen und durch ihren Nabel hören können.

Manche Sanguiniker sind Menschen, die ihre luftige Karriere bis an die Grenze der Levitation treiben.

Manche Melancholiker sind Menschen, die nur noch als Clown in dieser Welt eine Überlebenschance haben.

Manche Diebe sind Menschen, die nur deshalb stehlen, weil sie den Eigentumsbegriff ganz strikt verneinen.

Manche Edle sind Menschen, die ihre Edelmütigkeit ausschließlich vor laufenden Kameras in den Blick der Öffentlichkeit rücken.

Manche Verrückte sind Menschen, die sich außerhalb geschlossener Anstalten als absolut normale Durchschnittsbürger gebärden.

Manche Krankenschwestern sind Menschen, die es mit beharrlich penetranter Durchführung ihres Organisationsplanes schaffen, dass sich die Patienten nach der Entlassung krankenhausreif fühlen.

Manche Heilgymnasten sind Menschen, die menschliche Gliedmaßen dazu benutzen, durch abartige Verrenkungen an leidenden Patienten den Krankenkassen dann endlich den letzten finanziellen Todesstoß zu geben.

Manche Eltern sind Menschen, die sich dann an ihre Elternschaft erinnern, wenn man ihnen das Kindergeld streicht.